Mama sein ist für mich oft wahnsinnig schwierig. Und ich bin sehr oft konfrontiert mit dem schlechten Gewissen.
Ein schlechtes Gewissen, dass ich überfordert bin, dass ich manchmal keine Geduld habe mit meiner Tochter und ich mir in solchen Situationen manchmal wünsche ich hätte kein Kind. Dass ich mich selbst bemitleide und mir ausmahle wie viel mehr Freiheit ich hätte ohne Kind. Ich fühle mich dann als schlechte Mutter, bin traurig und habe ein noch grösseres schlechtes Gewissen meiner Tochter gegenüber.
Denn ich liebe sie mehr als mein Leben. Das Band, dass ich zu ihr habe ist so stark. Ich sorge mich ständig, dass es ihr gut geht, sie gut schläft und sich nicht alleine gelassen fühlt, wenn ich mal nicht da bin. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht mit ihr spielen mag, sie mit einem Spielzeug in ihrem Zimmer absetze in der Hoffnung, dass sie einen Moment ruhig ist und ich alle Aufgaben machen kann die anfallen. Den Haushalt, kochen, Administration für das Studio, mich darum kümmern, dass mein Körper nicht verkümmert. Ich mal in Ruhe duschen kann oder einfach mal ganz entspannt einen Kaffee trinken kann und dazu sinnlos im Web oder Social Media rumsurfen.
Mir fehlt auch die Zeit, in welcher ich mich auf meine Matte zurückziehen kann und in meine Yogapraxis eintauchen, ohne dass sie auf mir rumklettert oder weint, weil sie Aufmerksamkeit möchte, mich gerade braucht.
Natürlich nehme ich sie dann in die Arme. Ich kann nicht anders. Ich stelle mich hinten an, denn das Wohl meines Kindes empfinde ich als so viel wichtiger als mein Eigenes. Ich fühle mich egoistisch, wenn ich mir wünsche, das Kind möge endlich ruhig sein und allein spielen.
Ich sehne mich dann zurück nach meinem alten Leben und mahle mir aus, wie viel besser es war.
Aber es war nicht besser! Natürlich nicht. Ich schreibe regelmässig «Psycho-Hygiene-Buch» (das trifft es eher als Tagebuch) und wenn ich meine Texte vor 2-3 Jahren lese, so ist es Beweis genug, dass mein Leben bei weitem nicht besser war. Ich hatte meine Zweifel, sehnte mich nach Stabilität, nach einer Aufgabe, nach einer tiefen Beziehung, nach gebraucht werden – kurz nach einem Sinn im Leben.
Nun habe ich das alles und ich glaube, es ist in der Natur des Menschen, dass wir unsere Erinnerungen verherrlichen und uns die Vergangenheit so zurechtlegen, wie wir das möchten.
Die Hirnforschung belegt diese These. Jedes Mal, wenn wir uns an etwas erinnern, wird eben diese Erinnerung neu abgespeichert. So funktioniert es wie mit dem Spiel, wo man eine Linie bildet und der nächsten Person eine Geschichte ins Ohr flüstert und diese Person die Geschichte der nächsten Person wieder ins Ohr flüstert usw.
Mich immer wieder an das zu erinnern, tut gut und relativiert all diese Gefühle.
Und ich weiss, dass ich immer wieder ein Zeitfenster von Ruhe und Stille brauche, um auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Um mich mit meiner aktuellen Geschichte zu versöhnen und tiefe Dankbarkeit zu empfinden, dass ich das Geschenk bekommen habe eine Tochter zu haben.
Ich weiss, dass ich reich beschenkt worden bin. Mit dem wundervollsten Menschlein auf dieser Erde, mit einer tiefen Liebe welche sich mit nichts vergleichen lässt. Und mit dem, was ich mir doch immer und immer wieder gewünscht habe. Spirituelle oder auch einfach persönliche Entwicklung.
Oktober 2022